Luczak: "Die gleichgeschlechtliche Ehe steht im besten Einklang mit unserer Verfassung"

In der Aussprache zum Gesetzesentwurf zur Aufhebung der gleichgeschlechtlichen Ehe betonte Dr. Jan-Marco Luczak, stellvertretender rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Verfassungsmäßigkeit der "Ehe für alle" und übte scharfe Kritik am Gesetzesentwurf der AfD.

In seiner Rede hob Luczak hervor, dass die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe durch den Deutschen Bundestag erheblich zur Gleichstellung homosexueller Partnerschaften beigetragen habe: "Heute sind gleichgeschlechtliche Paare selbstverständlicher Teil unserer gesellschaftlichen Realität. Heute wird auch sprachlich nicht mehr differenziert, ob jemand verpartnert oder verheiratet ist."

Zudem betonte Luczak, dass diverse Gutachten von Experten, Anhörungen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes die Verfassungsmäßigkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe unterstreichen würde.

Den Antrag der AfD kritisierte er scharf: "All das, was Sie hier vorlegen, ist keine überzeugende verfassungsrechtliche Argumentation. Ihr Antrag ist demokratietheoretisch verfehlt. Sie versuchen, damit die Gesellschaft zu spalten. Ihr Antrag steht verfassungsrechtlich auf tönernen Füßen. Man kann nur eines machen: diesen Antrag ablehnen."

Die Rede finden Sie hier im Original.


Die Rede im Wortlautprotokoll des Deutschen Bundestages:


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte meine Rede beginnen mit einer Gratulation, und zwar möchte ich den 20 000 Menschen in Deutschland gratulieren, die seit der Öffnung der Ehe vor gut einem Jahr in unserem Land geheiratet haben,

(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Abg. Dr. Nina Scheer [SPD] und Abg. Dr. KarlHeinz Brunner [SPD] erheben sich)

die vor den Traualtar getreten sind, die Ja gesagt haben, in guten wie in schlechten Zeiten füreinander einzustehen, bis dass der Tod sie scheidet. Diese Menschen haben Ja gesagt, Verantwortung füreinander zu übernehmen, einander treu zu sein. Und darüber freue ich mich. Ich freue mich auch und gerade als Christdemokrat darüber, weil diese Menschen zutiefst bürgerliche, zutiefst konservative Werte leben. Ich finde, das verdient Anerkennung und Respekt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Der Weg dahin war auch und gerade bei uns in Deutschland kein leichter. Auch in meiner eigenen Partei und in meiner Fraktion haben sich viele Kollegen damit
schwergetan, und manche konnten am Ende der Öffnung der Ehe auch nicht zustimmen. Aber am Ende hat der Deutsche Bundestag mit einer überwältigenden Mehrheit das Gesetz beschlossen. Die Abgeordneten hier im Hohen Haus haben aufgrund ihrer ureigensten Überzeugung frei nach ihrem Gewissen entschieden. Die Debatten, die wir hier im Deutschen Bundestag mit einer Gewissensentscheidung abschließen, sind oftmals die schwierigsten. Sie sind oftmals aber auch die besten. Sie werden als Sternstunden des Parlaments bezeichnet, weil allein die Kraft des Argumentes zählt. Sie berühren oft fundamentale Fragen von Staat und Gesellschaft, von Leben und Tod, von Moral und Ethik. Durch Gewissensentscheidungen werden gesellschaftliche Kontroversen befriedet. Daher sind diese Entscheidungen, sind diese Gewissensentscheidungen von besonderer Bestandsfestigkeit und oftmals auch durch eine besondere Akzeptanz gefestigt.

Ich finde, es ist ein guter und auch ein notwendiger parlamentarischer Brauch, dass, selbst wenn sich nach einer Wahl die Mehrheiten hier im Hohen Hause ändern sollten, solche Entscheidungen nicht geschleift und nicht rückgängig gemacht werden. Das gebietet der Respekt vor der Institution Bundestag, das gebietet der Respekt vor der Gewissensentscheidung der Abgeordneten, und das gebietet auch der Respekt vor der gesellschaftlichen Befriedung, die damit erreicht wurde.

Trotzdem will nun die AfD alles zurückabwickeln. Ich akzeptiere, dass Sie diese Entscheidung ablehnen. Aber als Demokraten hätten Sie die verdammte Pflicht, diese Entscheidung zu akzeptieren. Dass Sie nun dagegen vorgehen, zeigt nur einmal mehr, dass Sie mit Demokratie nichts am Hut haben, dass Sie keinen Respekt haben vor der Gewissensentscheidung, die hier im Hohen Haus getroffen wurde.

Sie wollen einen gesellschaftlichen Rollback. Sie wollen die Gesellschaft spalten. Sie wollen sich auf Kosten von Schwulen und Lesben in unserem Land profilieren. Das ist verantwortungslos, und das ist reaktionär, meine lieben Damen und Herren von der AfD.

Und jetzt versuchen Sie auch noch, Ihre reaktionäre Politik verfassungsrechtlich zu bemänteln. Sie sagen, Sie wollen verfassungsgemäße Zustände wiederherstellen.

Die Ehe sei durch das Bundesverfassungsgericht klar als Bund von Mann und Frau definiert. So schreiben Sie es in Ihrem Antrag. Das ist jetzt entweder vorgeschoben, oder Sie haben eine sehr mäßige staatsrechtliche Ausbildung
erhalten und im ersten Semester Jura nicht richtig aufgepasst; denn wenn wir uns den verfassungsrechtlichen Ehebegriff in Artikel 6 unseres Grundgesetzes anschauen, dann stellen wir fest, dass dieser Begriff – und zwar in der Diktion der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf das Sie sich beziehen – offen ist. Er muss in den jeweiligen zeitgeschichtlichen Kontext eingebettet
werden. Er muss mit Blick auf einfachgesetzliche Regelungen und mit Blick auf die gesellschaftlichen Anschauungen interpretiert werden.

Unsere Verfassung lebt, sie atmet, sie verändert sich genauso, wie unsere Gesellschaft sich verändert.

Das Verständnis von der Ehe hat sich in den letzten Jahren fundamental gewandelt, meine Damen und Herren. Früher durfte es keine Ehe zwischen Adligen und Bürgerlichen geben. Früher durfte es auch keine Ehe zwischen Katholiken und Protestanten geben.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:
Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein. Ich möchte hier im Zusammenhang vortragen. – Früher konnte sogar ein Ehemann seiner Ehefrau das Arbeitsverhältnis kündigen, ohne diese zu fragen. Heute ist all das von gestern. Heute sind diese diskriminierenden Regelungen abgeschafft. Heute sind gleichgeschlechtliche Paare selbstverständlicher Teil unserer gesellschaftlichen Realität. Heute wird auch sprachlich nicht mehr differenziert, ob jemand verpartnert oder verheiratet ist. Heute dürfen gleichgeschlechtliche Paare heiraten. Und wir hier im Bundestag als einfacher Gesetzgeber haben durch unsere Entscheidung selbst dazu beigetragen, dem verfassungsrechtlichen Ehebegriff eine andere Bedeutung zukommen zu lassen.

Das Bundesverfassungsgericht betont, dass wir als Gesetzgeber Gestaltungsfreiheit haben, und wir haben diese Gestaltungsfreiheit genutzt, um die Öffnung der Ehe zuzulassen.

Deswegen bin ich überzeugt: Dass gleichgeschlechtliche Paare heute heiraten dürfen, steht in bestem Einklang mit unserem Grundgesetz, mit unserer Verfassung.

Weil Herr Brandner gesagt hat, es gibt hier keine ernstzunehmenden Stimmen neben ihm – das ist ja schon eine bemerkenswerte Selbstüberschätzung, was wir da gehört haben –, sage ich: Nicht nur die Anhörung im Rechtsausschuss, sondern
auch verschiedene Gutachten von Staatsrechtsprofessoren haben gezeigt, dass die Verschiedengeschlechtlichkeit heute kein exklusives und damit kein prägendes Strukturmerkmal der Ehe ist. Sie beziehen sich in Ihrem Antrag ja nun auf den Wortlaut von Artikel 6. Ich weiß nicht, ob Sie eine andere Ausgabe des Grundgesetzes haben als ich; aber ich habe darin nichts von Mann und Frau gelesen, sondern von Ehe und Familie.

Wenn Sie sich die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts einmal genau anschauten und diese Rechtsprechung vielleicht auch noch verstünden, dann wüssten Sie, dass laut Verfassungsgericht auch gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern unter den grundgesetzlichen Schutz von Artikel 6, also unter den Familienbegriff fallen. Wenn aber jetzt der Familienbegriff auch gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern umfasst, dann hat das natürlich Auswirkungen auf die Auslegung des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs. Das nennt man systematische Auslegung.
Das lernt man eigentlich im ersten Semester Jura. Da haben Sie wahrscheinlich gefehlt.

All das, was Sie hier vorlegen, ist keine überzeugende verfassungsrechtliche Argumentation. Der Antrag, den Sie uns hier vorlegen, ist Murks, liebe Damen von der AfD.

Ihr Antrag ist demokratietheoretisch verfehlt. Sie versuchen, damit die Gesellschaft zu spalten. Ihr Antrag steht verfassungsrechtlich auf tönernen Füßen. Man kann nur eines machen: diesen Antrag ablehnen.