Medienexperte Dr. Stephan Eisel zu Gast in Lichtenrade

Großandrang in Lichtenrade

Auf der letzten Mitgliederversammlung vom 31. Mai 2012 diskutierte der u.a. ehemalige stellvertretende Leiter des Kanzlerbüros von Dr. Helmut Kohl und bis 2009 Bundestagsabgeordnete mit den Lichtenradern kontrovers über das „Piraten-Phänomen“. Er zeigte dabei die innere Struktur der PIRATENPARTEI auf und wies auf unglaubliche Gesetzesvorhaben hin, die in der öffentlichen Debatte nie groß stattfanden. Als erfahrener Politiker setzte sich der Referent der Konrad-Adenauer-Stiftung auch mit den Nachfragen zum Zustand der CDU insgesamt nach der Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen bereitwillig auseinander. 
Der Einzug ins Abgeordnetenhaus katapultierte die PIRATEN in das Licht der Öffentlichkeit. Höchste Zeit also, sich mit den Politneulingen fundiert inhaltlich auseinanderzusetzen. Der Medienexperte und Buchautor Dr. Stephan Eisel stellte sich dazu gerne den Fragen von interessierten Lichtenrader Bürgern.
In seiner Einführung thematisierte Stephan Eisel die Wählerwanderungen anderer Parteien zu den PIRATEN. Dabei zeigte sich, dass bei den letzten Landtagswahlen vor allem DIE LINKE mit 12,7 % und die FDP mit 11,3 % einen nicht unerheblichen Anteil eigener Wähler an die PIRATEN verloren. Dagegen büßten die GRÜNEN mit 5,3 % und die SPD mit 3,4 % erheblich weniger Wähler ein, was bislang medial eher unbeachtet blieb. Auch die CDU musste auf 2,2 % ihrer Wähler verzichten. „Diese Zahlen zeigen vor allem die über Parteigrenzen hinweg herrschende Unzufriedenheit vieler Wählerinnen und Wähler.“ Mit dem Glauben, die PIRATEN würden einen besonderen Beitrag für die Demokratie in Deutschland dadurch leisten, dass sie viele zusätzliche Menschen an die Wahlurnen bringen würden, räumte der Referent auf. „Lediglich 1,5 % kamen aus dem Lager der Nichtwähler“. Ferner wird dokumentiert, dass sich knapp 70 % der PIRATEN-Wähler als Protestwähler bezeichnen. Diese hätten in der Vergangenheit vor allem DIE LINKE gewählt, so Eisel weiter. Für lediglich 5 % der PIRATEN ist deren Kernthema Internet der ausschlaggebende Wahlgrund.
Angesprochen auf den „neuen“ Transparenzbegriff der PIRATEN, welcher in Politik und Medien mittlerweile als willkommenes Phrasen- und Füllwort gar inflationär gebraucht wird, wies Stephan Eisel auf die bereits in weiten Teilen der CDU schon länger existierenden offenen Beteiligungsmodelle hin. Als Beispiel seien etwa Mitgliederentscheide mit dem Mitglieder- statt dem Delegiertenprinzip genannt. Diese Entscheide wurden, nach Eisels Aussage, bereits in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zu jeweiligen Spitzenkandidaten durchgeführt. 
Zum Thema der Mitgliederbeteiligung wartete der Medienexperte ebenfalls mit hochinteressanten Fakten auf. So wären von den ca. 30.000 bundesweiten Mitgliedern nur etwa 6.000 bei der internen PIRATEN-Meinungsfindungsplattform „Liquid Feedback“ angemeldet. An Richtungsabstimmungen würden sich davon wiederum nur ein kleiner Teil beteiligen. Das alles münde schließlich darin, dass diese geringe Zahl an Nutzern ihre Stimme innerhalb von „Liquid Feedback“ jeweils an andere „verschenken“ bzw. „delegieren“. So stimme am Ende lediglich ein geringer Teil über die Positionierung der PIRATENPARTEI ab. Es passt daher ins Bild, dass der neue Bundesvorsitzende Schlömer von lediglich ca. 1.200 Personen gewählt wurde, obwohl alle 60.000 Mitglieder zur Mitarbeit auf dem Parteitag aufgerufen waren. Das beträgt etwa einer Unterstützung von  2 %. Sieht so ein wirklich repräsentatives Ergebnis aus?
Abseits solcher Daten rief Stephan Eisel außerdem zu einer vertieften inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Äußerungen der PIRATEN auf. Er machte darauf aufmerksam, dass sich diese Partei für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausspricht, bei dem jeder - obgleich er arbeitet oder nicht - selbst Spitzenverdiener, ohne Bedürftigkeitsprüfung von, ja von wem eigentlich (?) alimentiert würde. Eisels Bericht von der PIRATEN-Forderung zur Aufhebung des Inzestverbotes verursachte irritiertes Stirnrunzeln unter den Zuhörern. Sehr erstaunt zeigte man sich schließlich bei dem Verfassungsänderungsantrag der Berliner PIRATEN-Fraktion zur schrittweisen Änderung des Wahlalters auf 7 Jahre. Später solle dann das Wahlrecht ab Geburt gelten. Zu solch Abstrusen Forderungen ermutigte Referent Eisel die Diskutanten Stellung zu beziehen und Unsinn argumentativ zu entkräften.
Auf kommunaler Ebene berichteten verschiedene Akteure über die Arbeit mit den PIRATEN. Stadträtin Jutta Kaddatz lobte dabei die überwiegende Zusammenarbeit. Es gab aber genauso kritische Stimmen zur gemeinsamen Ausschussarbeit, was zeigt, eine Gesamtbetrachtung des „Piraten Phänomens“ erscheint weiterhin äußerst schwierig.
Weitere Informationen zu Herrn Dr. Stephan Eisel oder seinem neuen Buch „Helmut Kohl. Nahaufnahme“ erhalten unter www.stephaneisel.de. In seinem Blog Internet&Demokratie schreibt er regelmäßig zu interessanten Themen der Medienwelt.